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Geschlechtergrenzen in der Technik

Ingenieurberuf, Technik und die Konstruktion von Männlichkeiten – in ihrer historischen Herausbildung und heutigen Varianz

 

 

Abschließender Überblick zum Projekt: Verhandlungen von Geschlechtergrenzen in der Technik

 

Projektleitung:                                         

Prof. Dr. Tanja Paulitz

 

Wissenschaftliche Mitarbeiterin:          

Mag. Bianca Prietl, MA

Studentischer Mitarbeiter:                    

Armin Ziegler, Bakk.

 
Temporäre Projektmitarbeiterinnen:      

Mag. Saskia Fürst

Marlies Lechner, Bakk.

Sarah Rossmann, Bakk.

Daria Urdl, Bakk.

 

Laufzeit: Feb. 2010 – März. 2013

Finanzierung: FWF (Österreichischer Wissenschaftsfond)

 

Ausgehend von der Annahme, dass die Eingrenzung von Wissensterritorien und die fachliche Unterscheidung von Tätigkeiten und Berufsbildern mit gesellschaftlichen Vorstellungen von Geschlecht in Verbindung stehen, ging das vom FWF finanzierte Projekt, Verhandlungen von Geschlechtergrenzen in der Technik, unter der Leitung von Tanja Paulitz der Frage nach, wie sich dies im historischen Verlauf und in der Gegenwart für das Gebiet der Technik darstellt. Das im Forschungsschwerpunkt Geschlechtersoziologie durchgeführte Projekt war am CSR angesiedelt und schloss seine dreijährige Forschungsarbeit im März 2013 ab.

Theoretisch in der wissenssoziologischen Tradition der Wissenschaftsforschung verortet, fokussierte das Projekt demnach auf Prozesse der „boundary work“ und den darin eingelagerten Konstruktionen von Geschlecht. Im Mittelpunkt stehen einerseits die Grenzziehungen in Fachdebatten und Fachvorstellungen der deutschsprachigen Technikwissenschaften im Zuge ihrer Herausbildung und Etablierung sowie im Allgemeinwissen außerhalb des Faches, wie es sich breiter gesellschaftlich verankern konnte. Empirisch wurden angelehnt an den Forschungsstil der Grounded Theory in einem dreigliedrigen Forschungsdesign zwei Längsschnitt- und eine Querschnittuntersuchung durchgeführt, sodass die Forschungsfragen im diachronen Verlauf und in der synchronen Verteilung untersucht werden konnten.

Im Rahmen der ersten Längsschnittstudie wurde der ingenieurwissenschaftliche Fachdiskurs, wie er in der Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure sowie in anderen einschlägigen Fachorganen abgebildet ist, zwischen 1850 und 2009 untersucht. Wie "umzäunten" die Ingenieure ihr Gebiet im Verlauf ihrer Professionalisierung und schrieben sich im Zuge ihres seit dem 19. Jahrhundert verfolgten Projekts der Akademisierung der Technik mittels dieser „boundary work“ im sozialen Feld der Wissenschaft ein? Wie schufen sie damit ein spezifisches Fachverständnis der wissenschaftlichen Technik und ein entsprechendes geschlechtlich aufgeladenes Berufsverständnis (zur Theorieperspektive siehe Paulitz 2012a)? Erste von Tanja Paulitz in ihrem Buch, Mann und Maschine (2012b), vorgelegte Analysen für den Zeitraum bis 1930 zeigen, dass nicht ein Konzept des "männlichen" Ingenieurs entstand, sondern konkurrierende fachliche Auffassungen, die mit unterschiedlichen Konzeptionen und Vergeschlechtlichungen des Berufes verbunden waren. Die Protagonisten der Verwissenschaftlichung der Technik entwarfen anfangs den Maschinenwissenschaftler als neutralisierte Position wissenschaftlicher Objektivität. Um 1900 löste der Mann der Tat das vorherige Konzept ab. Nun wurde technische Kompetenz naturalisiert und als besondere Gabe der Geschlechtsnatur des Mannes verstanden. Beide Konzepte können als je spezifische Art und Weise der diskursiven Herstellung von Männlichkeit gedeutet werden, mit denen Ingenieure jeweils für eine dominante Position im sozialen Feld der Wissenschaft rangen. Auch im weiteren historischen Verlauf bleiben die Konzeptionen des Ingenieurs instabil und oszillieren zwischen dem Verständnis des Ingenieurs als Wissenschaftler oder als Praktiker.

Die zweite, ebenfalls wissenssoziologisch-diskursanalytisch ausgerichtete Längsschnittuntersuchung legt das Allgemeinwissen, wie es in Universallexika und Enzyklopädien niedergelegt ist, zugrunde. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Entstehung der modernen Domäne der Technik das Resultat eines Prozesses der Verengung und mehrfachen Verschiebung der Begriffe, insbesondere im Verlauf des 19. Jahrhunderts, ist. In dessen Zuge rücken die gewerblichen Tätigkeiten in verwissenschaftlichter Form und die Arbeitsmaschine und ihre Gestaltung ins Zentrum; damit einhergehend entsteht der Ingenieurberuf als bürgerlicher männlich konnotierter Beruf.

Im Rahmen einer qualitativen, kontrastiv angelegten Querschnittstudie wurden leitfadengestützte Interviews mit FachvertreterInnen verschiedener Ingenieurgebiete an österreichischen Technischen Universitäten geführt. Trotz gemeinsamer fachlicher Grundorientierungen konnten im Vergleich von grundlagen- und anwendungsorientierten Fachgebieten mit dem technischen Theoretiker und dem technischen Generalisten zwei unterschiedliche Konzepte der Technikwissenschaft und des Ingenieurberufs rekonstruiert werden. Beide Konzepte erweisen sich, wenn auch im Kontext gegenwärtiger gleichstellungspolitischer Initiativen nur latent zur Sprache gebracht, als geschlechtlich aufgeladen und stellen somit zwei unterschiedliche Spielarten technikwissenschaftlicher Männlichkeit dar. Der technische Theoretiker wird primär durch ein intrinsisches Erkenntnisinteresse charakterisiert, das Frauen tendenziell abgesprochen wird, während der technische Generalist sich als Meister der Vereinbarung durchaus widersprüchlicher Aufgaben präsentiert, eine Meisterschaft die als unrealistisch eingeschätzt wird, sobald es um Frauen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht (vgl. Paulitz/Prietl 2013).

In der Gesamtbetrachtung zeichnet sich, erstens, deutlich ab, wie stark die Konzeptionen von Fach und Beruf kontextabhängig variieren, und zwar sowohl in historischer wie auch gegenwärtig in fachgebietsvergleichender Perspektive. Zweitens verdeutlichen die Ergebnisse, dass zukünftig stärker die Komplexität der Konstruktionsweisen von Männlichkeit einbezogen werden muss, wenn über das Verhältnis von Technik und Geschlecht nachgedacht wird.

 

Publikationen:

Paulitz, Tanja; Prietl, Bianca, 2013, Spielarten von Männlichkeit in den "Weltbildern" technikwissenschaftlicher Fachgebiete. In: Informatik-Spektrum. 1-9.

Paulitz, Tanja, 2012a, "Hegemoniale Männlichkeiten" als narrative Distinktionspraxis im Wissenschaftsspiel. In: Österreichische Zeitschrift für Soziologie, Jg. 37, H. 1. 45-64.

Paulitz, Tanja, 2012b, Mann und Maschine. Eine genealogische Wissenssoziologie des Ingenieurs und der modernen Technikwissenschaften, 1850-1930. Bielefeld: transcript.

Paulitz, Tanja; Prietl, Bianca, 2011, Variable and flexible constructions of gender within German engineering. First outcomes of a long-term discourse analysis. In: Hofstätter & Getzinger (Hrsg.). Proceedings of the 10th Annual IAS-STS Conference on Critical Issues in Science and Technology Studies, 2nd -3rd May 2011. Graz: IFZ Eigenverlag.

 

Konferenz- und Tagungsbeiträge:

Paulitz, Tanja; Kink, Susanne; Prietl, Bianca; Zapusek, Sarah; Ziegler, Armin: Komplexe Verhältnisse: Fach und Geschlecht in technik- und naturwissenschaftlichen Wissenskulturen. Tagung "Akademische Wissenskulturen und Soziale Praxis". 13.-15. Dezember 2012, Graz.

Paulitz, Tanja; Prietl, Bianca: Images of the Engineer and Gender Norms. A Comparative Empirical Study within Austrian Academic Engineering Cultures. Gender and technology workshop, 22.-23. November 2012, Trondheim.

Paulitz, Tanja; Prietl, Bianca: Images of the engineer and gender norms. A comparative empirical study within Austrian academic engineering cultures. INES workshop: Challenges and Responses in Engineering, 15.-16. Oktober 2012, Kopenhagen.

Paulitz, Tanja; Kink, Susanne; Prietl, Bianca: Into the wild? Effects of gender equality politics on gender studies ethnographic field work in engineering and scientific educational cultures. Annual Meeting of the Society for Social Studies of Science (4S), 17.-20. Oktober 2012, Kopenhagen.

Paulitz, Tanja; Kink, Susanne; Prietl, Bianca: 'Dealing with ‘neutrality’: a methodological approach to the analysis of implicit gender norms. International Workshop on “Gender & Technology: New Theoretical Perspectives”; 20.-21. Juni 2011, Graz.

Paulitz, Tanja; Fürst, Saski; Prietl, Bianca: The Gendering of Knowledge in Engineering: Conceptions of the 'Ideal Engineer' in the Course of a Professional Project. Konferenz “Gendered Ways of Knowing? Gender, Natural Sciences and Humanities”, 1.-4. Dezember 2010, Trento.

Paulitz, Tanja; Fürst, Saskia: The Gender of the Theory/Practice Boundary: "Boundary Work" in Historical and Current Concepts of German Engineering. Annual Meeting, Society for Social Studies of Science (4S), 25.-29. August 2010, Tokyo.

Univ.-Prof. Mag. Dr.

Markus Hadler

Leitung

Universitätsstraße 15/G4

Telefon:+43 316 380 - 3541

Mag. Dr.

Otto Bodi-Fernandez

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Universitätsstraße 15/G4

Telefon:+43 316 380 - 3544

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